Sexting bei Jugendlichen: Lasst den Kindern ihren Spaß
In den USA soll ein 17-Jähriger ins Gefängnis, weil er seiner Freundin Nacktvideos von sich geschickt hat. Ist Deutschland auch so prüde?
Wie verklemmt die US-amerikanische Gesellschaft doch ist. Da nutzen jugendliche Paare die neuen technischen Möglichkeiten, um ihre Beziehung erotisch etwas aufzuhübschen – schon schlägt die Justiz zu. Zuletzt bei einem 17-jährigen Jungen aus Virginia. Der hatte seiner 15-jährigen Freundin ein Nacktvideo von sich geschickt, nachdem sie ihn ebenfalls mit Pornobildchen von sich versorgt hatte. So weit, so privat.
Wenn da nicht die Mutter wäre. Die entdeckte auf dem Handy ihrer Tochter die Nacktszenen und zeigte den Jungen wegen Verbreitens kinderpornografischer Aufnahmen an. Die übereifrige Polizei ermittelte, die Angelegenheit beschäftigt nun die Justiz. Kommende Woche muss der Junge vor Gericht erscheinen, ihm drohen mehrere Jahre Haft und lebenslängliche Ächtung, weil er künftig in der öffentlichen Liste für „Sexualstraftäter“ geführt werden könnte.
Gesetze gegen Kinder- und Jugendpornografie sollen junge Menschen schützen, sie nicht für private Sexspielchen bestrafen. Die juristische Praxis in den USA verfehlt ihre Intention, sie kriminalisiert Menschen für harmloses, einvernehmliches Sexting. Laut Studie haben rund ein Viertel der jungen US-Amerikaner Erfahrungen mit Sexting. Glücklicherweise mehren sich auch in den USA liberale Stimmen, etwa in der Washington Post, die anlässlich des aktuellen Falls fortschrittlichere Gesetze zum Sexting fordern.
In Deutschland ist die Gesetzeslage ähnlich rückständig, die praktische Bedeutung jedoch gering. Jugendliche, die pornografische Aufnahmen von sich verschicken, könnten wegen des Verbreitens von Kinderpornografie belangt werden. Allerdings reicht es dafür nicht, die Bildchen und Videos von Penissen, Vaginas und Brüsten an den Freund oder die Freundin zu schicken. Erst wenn die Aufnahmen „nicht mehr kontrollierbaren Personenkreisen“ zugänglich gemacht werden, kann es problematisch werden. Zumal es bei Kinder- und Jugendpornografie keinen Unterschied macht, ob es Bilder vom eigenen oder von fremden Körpern sind.
Von unten fotografieren!
Bisher ist aber kein Fall bekannt, dem die deutsche Justiz nachgeht. „Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ein einigermaßen vernünftiger Staatsanwalt das tun würde“, sagt die Hamburger Anwältin Alexandra Braun. Selbst Jungen und Mädchen, die – auf Verlangen – angesextet werden, können sich in Deutschland strafbar machen wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften. „Lieber schnell löschen“, rät die Anwältin. Sie ist sich aber auch hier sicher, dass solche Fälle in Deutschland nicht vor Gericht landen würden.
Früher waren es Doktorspiele, provokantes Pimmelzeigen, erste Berührungen im Kino. Heute sind es intime Bilder und Videos, die via Smartphone verschickt werden. Es sind schlicht neue Möglichkeiten, sich erotisch auszutauschen. Solange alles einvernehmlich läuft, ein Mindestmaß an Vertrauen vorhanden ist, ist Sexting nicht zu verteufeln. Im Gegenteil.
Lasst den Kindern ihren Spaß. Lasst sie sich in ihren stürmischen ersten Beziehungen gegenseitig mit Pornobildchen versorgen. Es ist völlig harmlos. Nur ein Tipp: Wer sichergehen will, fotografiert von unten (sieht größer aus), gesichtslos und verdeckt eindeutige Körpermerkmale (Tattoos, Leberflecke). So kann auch nach dem Ende der ersten Liebe kaum noch etwas schiefgehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich